Von Zierrasen und Schottergärten

Grünordnungspläne und ihre Umsetzung

In Weinheim wird gebaut, neue Gewerbe- und Wohngebiete werden geplant und erschlossen. Dazu wird ein Bebauungsplan mit einem Grünordnungsplan erstellt, in dem die geplanten Straßen, Gebäude und Grünflächen ersichtlich sind. Er ist die verbindliche Bauleitplanung nach dem Baugesetzbuch. In diesem Plan werden allerdings nicht nur die bauliche Nutzung und die zulässigen Maße wie Grundstückflächen- und Geschossflächenzahlen festgelegt, sondern auch die Art der Begrünung, also Bäume und Sträucher, wird vorgegeben. Diese Vorgaben haben die Bauherren einzuhalten und das Amt für Baurecht zu überwachen.

Wie steht es mit der Umsetzung der Vorgaben in Bezug auf die Begrünung? Um das herauszufinden, haben Mitglieder des BUND-Ortsverbands Weinheim das Neubaugebiet „Lützelsachsen-Ebene“ unter die Lupe genommen. Das Gebiet bestand vor der Bebauung aus Feldgärten mit vielen Obstbäumen, kleinen Äckern und Wiesen. Das Wohngebiet wurde im Jahr 2009 geplant; mittlerweile sind fast alle Grundstücke bebaut und die Hausgärten angelegt. Vier Mitglieder des BUND Ortsverbandes haben den Bebauungs- und Grünordnungsplan mit der heutigen Situation verglichen. Dabei wurde festgestellt, dass bei der Umsetzung im Bereich der Begrünung einiges im Argen liegt.

Anlass für diese Nachschau sind zum einen die immer noch anzutreffenden Schottergärten und zum anderen den Blick für die zukünftigen Baugebiete wie „Allmendäcker“, „Hintere Mult“ oder „Tiefgewann“ zu schärfen. Was könnten wir bei zukünftigen Stellungnahmen besser machen. Was ist bei der Umsetzung schiefgelaufen? Es geht also um eine Rückschau, was nicht geklappt hat und somit auch um einen Blick in die Zukunft, was wahrscheinlich bei gleicher Ausführung und Motivation auch weiterhin bei Neubaugebieten nicht klappen wird.

Bei einem Rundgang durch das Neubaugebiet „Lützelsachsen Ebene“ von der B3 ausgehend die Etzwiesenstraße entlang, fallen zuerst die fehlenden Sträucher und Hecken auf. Im Plan sind an dieser Stelle geschlossene Gehölzpflanzungen mit mindestens einem Strauch pro Quadratmeter und einem Baum alle 12 Meter vorgesehen. Die Hecken und Sträucher sind entlang der B3 und zu Beginn der Etzwiesenstraße zum Gewerbeteil vorgeschrieben. Diese sind für viele Arten Lebensraum und Rückzugsort. Mit dem Baugebiet wurden die ehemaligen Lebensräume genommen.

fehlender Heckensaum zur B3
fehlende Gehölzpflanzungen zur B3

Zur Abgrenzung des Baugebietes in Richtung Norden und Süden zur umgebenden Landschaft ist ein Streifen mit heimischen Hecken und Bäumen als sogenannte Ortsrandeingrünung vorgeschrieben. Diese liegen teilweise auch auf privaten Grundstücken. Die Bauherren müssten dieses wohl beim Kauf im Plan gesehen, aber dann nicht umgesetzt haben. Hecken stellen für viele Tierarten Straßen dar, auf denen sie sich geschützt und ungesehen fortbewegen können.

Man stelle sich einmal vor, man hätte für die Menschen die Straßen zu den Grundstücken am Rand des Neubaugebiet einfach nicht gebaut. Der Aufschrei wäre groß gewesen und überregionales Interesse in der Presse gefunden. Neubaugebiet ohne Straßen und Wege undenkbar, aber für unsere Tierwelt kann man das ja machen. Die beschwert sich nicht.

Wir lassen den Blick auf die großen Gebäude im Gewerbeteil schweifen. Hier haben fast alle Gebäude ein Flachdach. Vorgegeben ist eine Dachbegrünung, die dauerhaft zu erhalten ist. Ein Blick auf ein aktuelles Satellitenbild zeigt schnell: Hier ist wohl kein Flachdach begrünt! Auch im Wohngebiet, insbesondere auf Garagendächern, ist eine Dachbegrünung nicht immer anzutreffen. Spätestens bei der Bauabnahme sollte eine fehlende Flachdachbegrünung eigentlich auffallen.

Dabei schützt die Flachdachbegrünung vor den hohen Temperaturen im Sommer. Die Dachabdichtung wird vor Witterungseinflüssen, wie beispielsweise Regen und Hagel, besser geschützt und sie dient der Wasserrückhaltung bei Regen. Sogar für Photovoltaikanlagen, die über eine Flachdachbegrünung gebaut wurden, kann diese aufgrund der kühlenden Funktion den Wirkungsgrad der Anlagen erhöhen.

Zaun mit Kirschlorbeerhecke
Zaun mit Kirschlorbeerhecke

Damit sich Kleinsäuger besser fortbewegen können, ist ein Abstand für Zäune von den öffentlichen Verkehrsflächen von 25cm einzuhalten. Außerdem müssen die Zäune unten durchlässig sein. Hier ist ein Abstand von 10cm zwischen Boden und Zaun vorgeschrieben. Es fällt leicht auf, das diese Abstände häufig nicht eingehalten werden. Zäune wurden im Wohngebiet direkt an Straße und Gehweg gesetzt und haben unten keinen Durchlass. Insektenfresser wie der Igel haben hier keine Chance. Ihr Lebensraum wurde mit dem Neubaugebiet größtenteils vernichtet. Sie wurden ausgesperrt und Fluchtmöglichkeiten eingeschränkt.

Geht man weiter, fallen einem die wenigen Bäume auf. Im Grünflächenplan sind alle Flächen außer Straßen und Häuser grün markiert. Es sind auch unzählige Bäume eingezeichnet. Wenn man sich aber umschaut, bleibt das Wort „unzählig“ hängen. Es sind fast keine Bäume in den privaten Gärten. Sie sind nicht deswegen nicht zu sehen, weil sie zu noch zu klein sind, sondern weil kaum jemand sie gepflanzt hat. Schauen wir in den Plan, steht da unter Mindestbegrünung: „je angefangene 250 m² Grundstücksfläche ist auf den Grundstücken ein standortheimischer Baum zu pflanzen“. Jetzt könnte man einwenden, die meisten Grundstücke sind halt kleiner als 250 m². Das ist richtig, aber dort steht ja „je angefangene 250 m²“. Also müsste es hier vor heimischen Sträuchern und Bäumen nur so wimmeln.

Vor der Bebauung gab es hier Feldgärten mit zahlreichen Obstbäumen. Viele Straßen haben ihren Namen vom Beerenobst erhalten, das hier früher mal angebaut wurde: Heidelbeerweg, Johannisbeerweg und Mirabellenstraße. Schön wäre es, wenn diese in den Hausgärten wieder zu finden wären. Vielen Bauherren haben sich dagegen für Kirschlorbeer, Forsythie, Tuja und Zierrasen entschieden. Diese sind zwar praktisch und anspruchslos, stellen allerdings für Insekten und Vögel kaum einen geeigneten Lebensraum dar. Wer Mönchsgrasmücke, Tagpfauenauge und Wildbienen in seinem Garten haben will, muss seinen Garten naturnäher anlegen.

Plastikrasen mit Metallzaun im Neubaugebiet Lützelsachsen-Ebene

Der Bebauungsplan gibt vor, dass etwa ein Drittel der Grünflächen mit heimischer Gehölzen und Stauden anzulegen sind. Hunds-Rose, Liguster, Blutroter Hartriegel oder Hainbuche gehören hier gepflanzt. Da gibt es noch viel Potenzial zur Verbesserung.

Entlang der Etzwiesenstraße sind im Plan Straßenbäume eingezeichnet bestehend aus 10 verschiedenen heimischen Baumarten. Die Bäume wurden auch in entsprechender Anzahl gepflanzt. Bei genauerem Hinschauen fällt auf, das hier vor allem nicht heimische Arten wie der Südliche Zürgelbaum, die Rote Rosskastanie und der Fiederblattbaum stehen. Das sind zweifellos attraktive, schön anzusehen Bäume, aber zur Unterstützung der heimischen Tierwelt sind sie nicht sehr förderlich. Als einzige heimische Art findet man den Feld-Ahorn. Es gibt schon seit vielen Jahren von der Landesanstalt für Umwelt (LUBW) in Karlsruhe eine Liste der heimischen Gehölzarten mit Pflanzempfehlungen für jede Gemeinde. Hier kann man sich fachkundige Rat holen.

Schottergarten im Neubaugebiet

Auf dem weiteren Weg durch das Neubaugebiet fallen Vorgärten ins Auge, die durch einen Metallzaun geschützt sind. Doch was wird hier geschützt? Schottergärten! Eine kleine Steinwüste mit vereinzelten dauergrünen Pflanzen. Der Boden ist komplett mit Schottersteinen bedeckt. Hier soll einfach nichts wachsen können. Teilweise sind die Vorgärten auch komplett zugepflastert und dienen als Parkplatz für Autos.

Unser Fazit

Große Unterschiede zwischen dem Bebauungsplan und der Realität – leicht zu erkennen. Anscheinend wurden die Vorschriften aus dem Bebauungs- und Grünfläschenplan von Bauherren und Baufirmen nicht immer so genau gesehen bzw. ignoriert. Fehlt es an der Information und Überzeugungsarbeit, dass und warum diese Vorgaben für Natur und Umwelt wichtig sind? Möglicherweise fehlt es an der Durchsetzungskraft der Ämter oder es fehlt Personal. Jedenfalls besteht die Gefahr, dass amtliche Vorgaben, deren Umsetzung nicht überprüft wird, nicht mehr ernst genommen werden.

Artenschutz fängt buchstäblich vor unserer Haustüre an und jeder kann etwas dafür tun.

Der BUND Weinheim fordert die Bürger und die Ämter auf, die Gärten wirklich zu begrünen und bei der Anlage heimische Arten vorzuziehen, da diese für Tiere einen besseren Lebensraum, Nahrungsquelle und Fortpflanzungsstätten bieten.

Außerdem ist die Landesbauordnung richtig umzusetzen. Paragraph 9 schreibt vor, dass „nicht überbaute Flächen der bebauten Grundstücke“ Grünflächen sein müssen – Schottergärten sind damit sicher nicht gemeint. Für zukünftige Baugebiete sollten Schottergärten verboten werden.

Wie wäre es damit: Um die Bauherren zu der Anlage richtiger Grünflächen zu bewegen, könnte die Stadt beispielsweise ein Pfandgeld einfordern. Nach Umsetzung der Vorgabe, würde der Bauherr dieses Pfand zurückerhalten.


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